73
MAUERN, DIE VIEL ZU ERZÄHLEN HABEN

1907

1938

2020
iese dicken Mauern erzählen eine lange Geschichte – von Freudentagen und Tragödien, von Hungersnöten, Inflation und Diktatur. Von Wiederaufbau und Wirtschaftswunder. Zwei Kriegen haben sie standgehalten und Generationen von Menschen ein Zuhause geschenkt. Das Schmuckstück in der Holtenauer Straße 73 wurde Anfang des vorherigen Jahrhunderts von dem bekannten Kieler Architekten Hans Schnittger entworfen und 1907 fertiggestellt. Zur Olympiade im Jahr 1972 wurde das herrschaftliche, aber inzwischen heruntergewirtschaftete Haus neu aufgeteilt: Ins Erdgeschoss kam eine Diskothek. Um Raum zu schaffen, wurde der Eingang an die Seite verlegt. In den 1. Stock zog eine Arztpraxis. Die übrigen Stockwerke wurden in je 12 Miniwohnungen aufgeteilt, jede mit einer winzigen Kochecke und einem kleinen Bad versehen. Ins Dachgeschoss kamen 10 Wohnkammern, die sich zwei Bäder teilten. Nach der Olympiade wurde das Haus als Wohnraum für Studenten genutzt. In den 80er-Jahren wurde aus der Diskothek zur Straßenseite die Kultkneipe »Bazille«, eine Spielothek zog in den rückwärtigen Bereich.
In den folgenden Jahrzehnten zerfiel das Haus immer mehr. Als Ende 2014 die jetzige Besitzerin Sabine In der Smitten das Gebäude kaufte, waren die vielen historischen Elemente verschwunden und statt dessen wurde die Szenerie von Resopal und muffigen Teppiche beherrscht. Rohrbrüche waren an der Tagesordnung, viele Wohnungen nicht mehr nutzbar.
D

1968
